25. August 2015

Time to say Goodbye.

In den letzten Wochen ist es ruhig bei mir geworden. Das habt Ihr hier im Lousy Legs-Blog bemerkt, wohl vor allem auch diejenigen, die mir auf twitter oder Google+ folgen. Vieles hat sich in meinem Leben geändert, es waren vor allem die letzten beiden Jahre, die so einiges auf den Kopf gestellt haben, manche Dinge davon fundamental.
Das Sprichwort sagt, man soll aufhören, wenn es am schönsten ist – diesen Moment habe ich Ende 2013 nun schon etwas länger verpasst. Ein anderes Sprichwort aber meint dann, man solle aufhören, bevor es peinlich wird. 


Climax Haute Route 2013.

Und das ist, was mich bewogen hat, nicht nur diesen Blog, sondern meine „Karriere“ als Radsportler, oder sagen wir besser, als ambitionierter Jedermann, nun zu beenden. Eine unerwartete OP tut da ihr übriges.

Burnout und Motivationsloch?


Es ist nicht erst seit 2015, da wir als Lousy Legs-Team schon den geradezu barock-umfangreichen Rennkalendern, wie sie die Jahre bisher geprägt hatten, Lebewohl gesagt haben. Es war eher das Jahr 2014, das bei mir den ersten Sargnagel setzte: RAAM. Von da ab war nichts mehr, wie es vorher war.

Diesen Blog zu betreiben, Euch zwei, drei Mal im Monat Artikel, Berichte, Interviews und Postings in dem Umfang, der prosaischen und inhaltlichen Qualität zu liefern, Interviews zu führen, Grafiken zu erstellen, Fotos zu bearbeiten, ist eine Arbeit, die pro Beitrag viele Stunden Zeit und natürlich auch eine Menge Geld kostet. Zeit, die ich gern investiert habe, weil ich – sponsorenfinanziert – eben „kaum“ eigenes Geld investieren musste.


So fing alles an: 2011 unsere erste Komplettsaison als Team im German Cycling Cup

Das änderte sich mit dem plötzlichen Wegfall unseres tollen, tollen langjährigen Solar-Sponsors. Zu seiner Entscheidung hatte ich ihm damals sogar aktiv geraten: Denn die Frage, ob man in einer ökonomischen Krise die eigenen Mitarbeiter finanzieren solle oder es einem Haufen „Verrückter“ ermöglicht, durch Europa zu jetten um in aller Welt Radrennen zu fahren, ist natürlich einfach beantwortet. SunClass hat die Krise – anders als viele andere deutsche Solar-Unternehmen – gemeistert und erholt sich, was mich sehr freut, ist doch ein Teil des Markenprofils auch irgendwie mein Werk.

Und doch: Gerade in der RAAM-Organisation steckte so unglaublich viel Energie, Kraft und Zeit – größtenteils durch mich allein aufgebracht – dass mich die plötzliche Absage buchstäblich von einem Tag auf den anderen in ein derart tiefes Motivationsloch hat fallen lassen, dass ich kaum noch die Energie der Jahre davor wieder finden konnte, mit demselben großen Enthusiasmus weiterzumachen. Dass dieses Loch so tief sein und mich so langanhaltend prägen würde, hätte ich nicht gedacht.

Auch unser Folgesponsor – nicht minder engagiert und sympathisch – konnte dies nicht „retten“. Die Summen für komplette Rennsaisons mit 10 bis 15 Rennen oder geschweige denn eines Events wie dem RAAM waren einfach zu hoch. Eigenfinanziert schon gar nicht zu stemmen.


180 Kilometer purer Höhepunkt: Der Gran Fondo New York 2012

So ist denn die Saison 2015 mit unseren Everestings mehr aus der Not heraus geboren. Eine wie ich finde noch immer tolle Idee, immerhin 3 Events haben wir geschafft und unzählige tolle Momente an Mortirolo, Ventoux und im Zillertal erleben dürfen.

Á propos „geboren“: Die Väter und Mütter unter Euch wissen, was es heißt, ein Kind zu bekommen. Ganz simpel: Das Leben ändert sich vom „ich“ hin zu „er“ (ich habe einen Sohn). Unter der Woche trainieren? Bei mir mit Vollzeit-Stressjob nun ganz einfach ausgeschlossen. An den Wochenenden stundenlang Kurbeln? Nur zum Preis einer einsamen Familie. 10 bis 15 Wochenenden oder gar ganze Wochen (inklusive der wertvollen Urlaubstage und –kasse) allein auf Rennen verbringen? Geht wieder nur auf Kosten der einsamen Familie. Kurz: Jeder Abschied von daheim zu einem – und sei es auch noch so genialen – Event, machte mein Herz immer mehr bluten. Schlimmer noch: Die Herzen meiner Frau und vor allem meines Kleinen ebenfalls.

Nein, so geht das nicht weiter. Ich lebe nicht vom Radsport oder diesem Blog. Aber ich lebe für meine Familie. Die mich braucht, die ich brauche. Mit ihnen will ich sein. Euch „Tschüs“ zu sagen, werdet Ihr verkraften – meinem Sohn ständig Zeit zu verwehren, geht dagegen gar nicht.

Ich hatte nie den Anspruch (oder gar die Fähigkeiten) Höchstleistungen, erste Plätze oder Goldmedaillien zu bringen. Wohl aber, auf einem Niveau Rennrad zu fahren, das sich im „gesunden“ Mittelmaß befindet. Das habe ich früher gut erreicht. Aber eben mit viel Aufwand: Selbst für „langsame“ 10 Stunden beim Ötztaler Radmarathon oder „nur“ die Gold-Strecke beim Alpenbrevet musste ich tausende Trainingskilometer, zehntausende Trainingshöhenmeter und dutzende Tage im Sattel meiner wunderbaren Cervélos verbringen. 

Ihr wisst selbst, wie viel es braucht, um bei solchen Events „nur“ durchzukommen. Wie viel zeit allein in das "Mittelmaß" investiert werden muss. 


Hart, härter - immer härter? Ohne ausreichend Training witzlos.

Ohne diese Trainingsmöglichkeiten werden Teilnahmen an diesen Events für mich nun nur noch zur Qual. Und für Euch zum Witz, darüber zu lesen. Eben: Aufhören, bevor es peinlich wird. 

Leider bleiben nun auch Artikel, die ich schon in Vorbereitung hatte, daher unveröffentlicht: Ein ganz tolles Interview mit einem Konstrukteur des neuen Cervélo P3 zum Beispiel, der Rennbericht vom Schwarzwald Super! und dem Ötztaler Radmarathon, die ich dieses Jahr nicht mehr mitfahren werde, zwei nicht gemachte Everestings (und überhaupt den Vollzug, einmal 8.848 hm zu schaffen), ein Artikel mit Interviews zum Thema Doping im Jedermann-Radsport und einige weitere spannende Themen, die ich schon am Recherchieren war. 

Die Energie, die mir geblieben ist, möchte ich anderweitig investieren. Ebenso wie das Geld, das trotz Sponsorings (und da macht Euch bitte nicht allzu rosige Gedanken, mit welchen Summen wir da zuletzt unterstützt worden sind) noch mehr als reichlich in den Radsport geflossen ist.

Ein Blick zurück: Geil war es!


Aber überhaupt: Wir hatten doch eine richtig geile Zeit zusammen, oder?

Ich hatte das Privileg, 4 Jahre lang Rennkalender zu bestreiten, wie sie ein Jedermann kaum allein stemmen könnte. Dank eines begeisterten Sponsors konnten wir die größten Rennen, die kleinen Geheimtipps, viele Klassiker, einige Luxus-Ausgaben und am Ende eben die attraktivsten Kalender fahren, die man sich vorstellen kann. Die ich mir vorstellen kann. Unglaublich noch heute, wenn ich mein Palmarés anschaue.


Saison 2014 - Gran Fondos in Italien, Spanien und Frankreich. Ein Traum!

Herausgekommen ist deshalb hier im Blog eine – wie ich finde – fantastische Sammlung ganz toller Renn-Berichte, Abenteuer, haarsträubender, mitreißender, spannender Geschichten, in denen ich auch nach 3 Jahren noch gern mal schmökere.

Das fast schon mystische Mailand-Sanremo, die exklusive Haute Route, zwei geniale Ötzis, die hammerharte aber wunderschöne Tour du Mont Blanc und natürlich der fantastische Gran Fondo New York, um nur einige zu nennen, gehören von nun ab für immer zu unauslöschlichen Erinnerungen und hier im Blog zu einer Bibliothek voller spannender Stories, toller Fotos und Grafiken.

Auch das Scheitern konnte ich ausgiebig schmecken: Ronde van Vlaanderen, Race Across the Alps und zwei Alpen-Träume haben mich erfahren lassen, was es heißt, am Limit zu scheitern. Es können einem nicht immer Flügel wachsen - auch eine heilsame, wertvolle Erfahrung.

Mit Euch und dank Euch ist diese Website in vier Jahren ohne Werbung oder anderes zutun meinerseits zu einem der beliebtesten deutschsprachigen Rennrad-Blogs geworden. Immerhin öffnet Ihr monatlich meine Artikel an die 25.000 mal. Dafür, für Eure Treue und Euren Support ein herzliches Danke von mir! Viele von Euch sind mittlerweile als Commenter und Follower zu „Bekannten“ geworden, zu Leuten, über deren Input ich mich immer sehr freue, die mich bei Rad am Ring im Camper besucht oder immer mal wieder kommentiert hatten. 

Einige von Euch darf ich sogar meine Freunde nennen.

Radsport - das ist für mich auch und vor allem viel Emotion, tolle Menschen und Freundschaften.

Danke möchte ich deshalb an Euch Leser sagen. Es war eine ganz fantastische Reise mit Euch als Cervelover und Lousy Leg.

Danke an Cervélo, Detlef vor allem, Ihr habt immer meine nervigen Anrufe und Emails beantwortet und mir bei meinen Recherchen ganz hervorragend geholfen. 
Danke auch an das Ötzi-Team in Sölden, an taxofit Sport in Köln für die tatkräftige Power-Unterstützung bei unseren – immerhin! – 3 Everestings und an alle Interview-Partner, die sich Zeit und Geduld genommen haben, mir Rede und Antwort zu stehen: Renn-Organisatoren vom Alpenbrevet, TMB, Ötzi, Haute Route usw.. 

Danke an die Radsport-Legende Udo Bölts, die ich ausgiebig befragen durfte, sicherlich ein Höhepunkt hier. Danke an Torsten und all die anderen, die mir mit ihrer Expertise zur Seite gestanden haben und Danke auch an den Sportograf, der meine Privatnutzungslizenz der Rennbilder auf diesen Blog ausgeweitet hat.


Auch mein Baby - das tolle Team SunClass.

Danke, danke, danke und tausendmal mehr danke an SunClass und Sten, Ihr habt mir und dem Team tausende fantastische Rennkilometer ermöglicht! Danke an Roland und DuraCase, alles Gute für Euer Projekt!

Weiterhin und für immer: Ich liebe den Radsport. Das Rennrad. Diese Atmosphäre am Vorstart. Das Schwitzen, das Kämpfen, den Krampf, den Regen, die Kälte, die Hitze, den Fahrtwind und diese Alpenkulisse, die süchtig macht. Auch weiterhin. Aber eben weniger. Kleiner. Ruhiger. Und ohne Öffentlichkeit. Nur so. Nebenbei. Zum Spaß. 

Macht´s gut Ihr Radsportler und Carbonsüchtigen, genießt Eure Liebe zu diesem fantastischen Sport, kostet jeden Meter, jedes km/h und jedes Prozent Steigung voll aus und vor allem – ride safe!


Bye, Euer Lars