7. November 2014

Das Rennrad richtig putzen: Glaubensfrage Rennradreinigung.

Gerade in der Herbstsaison, wohl aber auch im März und April, wenn die neuen Rennkalender anfangen, abgearbeitet zu werden, sehen unsere Rennräder selbst nach kurzen Trainings-Ausfahrten meist aus wie nach einer Cross-WM im Schlamm Flanderns. An der Rennrad-Reinigung scheiden sich die Geister: Natürlich meint ein jeder, seine eigene Technik wäre die beste. Unmengen Geheimtipps, No-Gos, bekannte und unbekannte Pflegemittel und diverse Putz-Strategien kursieren durchs Netz. Ich will Euch heute meine Methode, wie ich mein Rennrad sauber und perfekt geschmiert halte, darlegen: 3 Schritte zum sauberen Rennrad.



"Sag mal, spinnst Du jetzt eigentlich völlig ...?!?"

Eine selbstverständlich vollkommen konstruierte Reaktion einer beliebigen Dame des Hauses.

Das Gröbste hole ich in der Dusche runter. Also Dreck ...
Wohl dem, der eine Badewanne hat.

Ihr kennt wahrscheinlich diesen geschockten Aufschrei Eurer Partnerinnen, wenn Ihr mal wieder nach einer herbstlichen Ausfahrt - ähnlich wie dieser hier, oder der hier - Eure Rennräder reinigt. Gut hat es hierbei, wer über eine Garage oder einen Waschplatz verfügt, der außerhalb der Wohnung liegt. Diesen Luxus habe ich leider nicht. Meine Strategie: Die Frau zum Shopping schicken und ihr versprechen, dass, wenn sie wieder die Wohnung aufschließt, diese wohlaufgräumt & alle Böden gewischt vorfinden wird. (Ich vermute allerdings, sie weiß ganz genau, was ich da wirklich treibe ... :)


4 Produkte, 3 Schritte - so einfach bekomme ich mein Rennrad sauber.


Ich fahre Fahrrad seit ich klein bin. Seit ich klein bin, muss ich die Gefährte auch putzen. Richtig durchgestartet bin ich aber erst ab 2008, als ich mein erstes richtig teures, komplexes Rad gekauft hatte: Und das Interesse an einem sauberen Rad - und damit einem einwandfrei funktionierenden und sicheren fahrbaren Untersatz - stärker wurde. Denn die Reinigung des Rennrads ist für mich auch immer ein Sicherheitsaspekt: Bremsen, Schaltung, bewegliche Teile - all dies checke ich beim Putzen natürlich mit. Auch deshalb putze ich mein Rennrad mittlerweile nach jeder größeren Ausfahrt, nach jedem Rennen sowieso.

Dabei habe ich über die Jahre meine eigene, für mich perfekte Vorgehensweise und die passenden Produkte gefunden. Im Prinzip nutze ich nur 4 davon: Ordinäres Geschirrspülmittel (frosch), WD40, den Kettengleitstoff DryFluid und ein Leder-Balsam. That´s it.


Mehr benötige ich eigentlich nicht: DryFluid, WD40, Leder-Balsam und frosch-Spüli.

Wenn ich mein Rennrad reinige, sind es im Prinzip drei einfache Schritte, die mich am Ende zum blitzeblanken Objekt der Begierde bringen. Erstens: Die Laufräder - inklusive der Kassette - separat reinigen, dann zweitens den Rahmen säubern und drittens, wenn die Laufräder wieder im sauberen Rahmen sind, kommt als letztes die Kette dran. Fertig.


Die Laufräder meines Rennrads: So bekomme ich alles blitzeblank sauber.


Laufräder, das geht einfach und schnell: Schnellspanner lösen (aber in der Achse belassen!), die Laufräder in die Dusche - bei groben Verschmutzungen - und alles einmal schön abduschen. Bei meinen hochprofiligen Mavic Cosmics muss ich dann noch schauen, dass ich das Spülwasser vorher aus den Ablauflöchern in der Felge heraus bekomme. Dann kommen die Räder auf eine Decke (Dielenboden zuhause, den wollen wir schützen), und ich wische mit einem normalen Haushaltsschwamm nochmals alles sauber. Besonders wichtig dabei, die Bremsflanken, die ich sehr gründlich von Abrieb und Schmutz befreie.


Erster Arbeitsschritt: Den Kranz sauber bekommen.
Ein Leichtes mit WD40 und dem "Smart Straw".

Dann geht es vor die Haustür (des Geruchs wegen) und dort baue ich aus alten Handtüchern eine Art Auffang-Becken. Mithilfe von WD40 (achtet beim Kauf darauf, dass ihr den langen Sprühschlauch, "smart straw" genannt, habt) sprühe ich nun den ganzen Dreck aus der Kassette. Richtig schön dick, dass es den ganzen Schmonz aufweicht, am besten schon rauswäscht.


Nun scheiden sich die Geister: Einige meiner Rennrad-Kollegen schwören auf die gute alte Zahnbürste, ich aber habe eine ganz angenehme Technik entwickelt, bei der ich mit einem flauschigen (natürlich ausgemusterten) Badetuch die einzelnen Ritzel der Pakete richtig gut sauber bekomme. Das ganze dauert keine 10 Minuten. Der erste Teil unserer Arbeit ist getan.


Alte Zahnbürste oder ausgemustertes Wuscheltuch: So easy blitzt
die Kassette wie am ersten Tag.

Nun befreie ich die Laufräder von den WD40-Spritzern, trockne alles sauber ab und kontrolliere dabei gleich jede einzelne Speiche auf eventuelle Beschädigungen. Auf diese Art und Weise habe ich an meinen Mavic R-Sys schon einen Speichen-Anbruch entdecken können ... Ihr seht: Sicherheit durch Sauberkeit. Nun bin ich hiermit fertig, ich stelle die Laufräder an die Wand und kann mich dem eigentlichen Dreckschwein widmen - dem Rahmen.


Den Rennrad-Rahmen shampoonieren: Alles blitzeblank am Rennrad.


Auch der Rahmen kommt bei mir unter die Dusche - das aber nur, wenn es vorher wirklich richtig hart und dreckig zuging. Ansonsten reicht es, wenn ich ihn umgedreht auf meiner wasserabweisenden Decke positioniere und kräftig, wohlwollend damit viel Schaum den ganzen Rahmen einshampooniere. Hier geht es mir eher darum, die Dreckkrusten aufzuweichen, denn alles zu säubern. 

Mein Cervélo S5 VWD hat eine matte Lackierung. Auch hier habe ich vorher schon einige - extrem übertriebene - Horrorgeschichten hören müssen, dass dieser Lack viel empfindlicher sei oder dass allzu engagiertes Reinigen den Matt-Effekt zerstören könne: Alles Humbug! Ihr könnt natürlich und absolut selbstverständlich auch Eure matt lackierten Rahmen putzen und schrubben. Meiner Meinung nach sind spezielle Pflegebehandlungen mit (teuren) Matt-Lack-Mittelchen Abzocke und unnötig.


Etwas geposed und übertrieben, dieses Foto, im Prinzip aber richtig: So
shampooniere ich den Rahmen ein und bekomme ihn schön sauber.

Ein Wort zu Hochdruck-Reinigern: Einige meiner Bekannten haben sich einen Kärcher zugelegt und schwören darauf. Auch sieht man oftmals bei Tour de France-Übertragungen oder anderen Profi-Veranstaltungen, wie die Techniker (wie ich finde, meist recht rabiat), die Rahmen mit diesen Geräten bearbeiten. Von Einigen höre ich immer wieder den "Tipp", mit dem Rennrad zu einer Tankstelle zu fahren, um dort für 1 Euro das Rad "abzuspritzen". Generell ist dagegen nichts einzuwenden - wenn man denn nur aufpasst, dass man das Wasser niemals in die Lager bekommt. Denn dann hat man (eventuell erst viel später) ein Problem. Tankstellen-Kärcher sind meist nicht justierbar, daher die Gefahr recht real, einige Wochen später mit durchgerosteten, quietschenden oder kaputt geriebenen Lagerschäden hohe Werkstattkosten begleichen zu müssen. Wenn Ihr Euch einen Hochdruckreiniger für Euer Rennrad zulegen wollt - achtet darauf, dass sich die Härte des Strahles an dem Gerät justieren lässt. Und dann nutzt eher die softeren Einstellungen. Ich für meinen Teil kann, da ich keinen Außen-Putzplatz habe, eh nur sagen: Handbetrieb ist Handbetrieb!

Habe ich den Rahmen schon dick eingewässert, trockne ich ihn nur grob ab. Zeit für Step 3.


Die Rennrad-Kette reinigen: So bekomme ich Leertrum und Lastrum sauber.


Noch immer sind wir nicht fertig: Der Rahmen hat zwar seine erste Waschung überstanden, es fehlt aber der finale Kick. Doch zunächst schaue ich mir die ganzen kleinen, fitzeligen und von oben meist nicht zu sehenden, aber wichtigen, Stellen an.
Ganz vorn dabei: Die Innenseiten der Gabel, die Hinterradaufnahme, die Innenseite der Kurbelblätter, Käfig und Umwerfer und natürlich die Bremsen. Nach einer regnerischen Herbst-Ausfahrt kann sich hier scheinbar kiloweise Dreck ansammeln!



Noch bleibt der Rahmen umgedreht: So kommt man besser
an die fiesen Stellen ran.

Es hilft alles nichts: Hier muss richtig geschrubbt werden. Dieser Arbeitsschritt kostet die meiste Zeit. Gewissenhaft verrenke ich mich, reiße mir auch schon mal dann und wann die Epidermis an der Hand auf, wenn ich allzu tief in die Ecken vordringen möchte: Ich bin Reinigungs-Pedant. Wie ein Dreck-Fetischist kann ich es nicht ertragen, wenn irgendwo noch ein Krümelchen kleben bleibt. Am Schlimmsten aber: Schwarze Fingerabdrücke an schon gereinigten Stellen. Das müsste man mal filmen: Seid Ihr da auch so autistisch veranlagt? 

Richtig kriminell wird es bei den Bremsen.



Fitzelig: Der ganze Schmodder in Gabel, Bremse & Co. Hier sind 
viel Wasser und Schrubb-Arbeit gefragt.

Das Cervélo S5 ist ein auf High-Speed getrimmtes Rennrad. Der Rahmen schmiegt sich, vor allem am Hinterrad, extrem eng an die Lauffläche des Rades an. Gerade bei Regen und auf verschmutzen Fahrbahnen zieht es teilweise extrem viel Schmutz in diesen sogenannten "Seattube Cutout". (Übrigens ist bei den 2015er-Modellen des S5 der Cutout etwas vergrößert worden, sodass nun auch 25mm-Pneus gefahren werden können, die 23mm-Reifen dann auf jeden Fall mehr Abstand haben). An meinem R3 habe ich den Cutout-Schmutz nicht so stark, doch auch hier sind es immer wieder die Bremsen, die es am dreckigsten trifft.

Hier reinige ich sehr aufmerksam und gründlich, denn Bremsen sind lebenswichtig.


Brauchen Di2-Bauteile eine Extrabehandlung?


Leider kann an meinem S5 die Batterie der elektronischen Schaltung Di2 noch nicht im Rahmen untergebracht werden - bei neuen Modellen ist das kein Problem - und so hängt der Akku, wie bei vielen anderen Modellen auch, unter einer Kettenstrebe, nur wenige Zentimeter über dem Boden.
Obschon die Batterieaufnahme von Shimano sehr geil gebaut ist - ich hatte selbst bei 10-stündigen Regenfahrten niemals auch nur den Hauch eines Problems mit der Schaltung - so muss ich doch immer wieder staunen, dass der Dreck selbst in die geschlossene Batterieaufnahme eindringen kann.


Die extern angebrachten Di2-Akkus sind zwar wasserdicht, ziehen
aber auch - bei harten Bedingungen - ganz schön Dreck. 


Ich nehme die Batterie immer vor dem Reinigen komplett raus und wische sie mit einem ganz leicht feuchten Tuch sauber. Das reicht hier meist. Die Aufnahme innen (siehe Foto oben) ist da schon eine andere Nummer: Gern sammeln sich hier Sand und Modder, aber auch Gräser und kleine Steinchen. Deshalb reinige ich mittlerweile konsequent mit dem wassergetränkten Küchenschwamm, spüle die Aufnahme regelrecht aus. Wichtig ist, dass man das ganze Areal komplett austrocknen lässt, bevor man den elektrischen Kreislauf wieder durch Einsetzen der Batterie schließt. Am besten, Ihr setzt den Akku erst am nächsten Tag ein.

Nun haben wir es fast geschafft: Die Laufräder werden eingesetzt, das Rad kann wieder umgedreht werden. Nun reinige ich nochmals mit dem Schwamm den kompletten Rahmen von oben nach unten durch. Ein sauberes, saugfähiges Handtuch rubbelt das Rennrad sauber.

Erst jetzt kommt die Kette dran. Auch das geht schnell: Ich sprühe die Kette der Länge nach schön fett mit WD40 ein, lasse alles 2, 3 Minuten einziehen und umfasse dann mit ein, zwei Lagen Baumwoll-Handtuch die Glieder. Nun ziehe ich durch Drehen an der Kurbel die Kette durch das Handtuch. Immer wieder wechsle ich das Handtuch, sodass mit der Zeit immer mehr Dreck im Handtuch - und immer weniger in der Kette bleibt. Irgendwann ist die Kette sauber.
DryFluid drauf. Einziehen lassen. Einmal abziehen - fertig!


Last but not least: Sattel fetten & Bremse einstellen.


Natürlich nutze ich den Augenblick und stelle die Bremsen ein. Es gibt nichts schöneres für mich, als richtig geil mittig laufende Bremsflanken und schön neat eingestellte, harte Bremsen! Habe ich das ganze fertig, fette ich meinen Sattel noch mit einem Lederpflegemittel ein. Dazu reicht ein handelsübliches (auf natürlichen Stoffen basierendes und vor allem farbloses!) Schuhpflegemittel. Ich habe da noch eine auf einem Wochenmarkt vor Jahren gekaufte große Dose, die scheinbar nie alle wird.


Soll schön smooth bleiben: Das Sattel-Leder.


Jetzt sind wir eigentlich fertig. Eigentlich. Denn nicht alle Flecken, schon gar nicht die öligen, gehen mit frosch-Spüli ab. Da kann man noch so viele Liter über das Rennrad kippen. Als tricky erweist sich hier zudem der matt lackierte Rahmen: Denn die Klarlackschicht bei anderen Rahmen ist einfach glatter - hier geht der Schmutz viel leichter ab. Der rauhe Matt-Lack ist vergleichbar mit dem Effekt, den Hundekacke in einem grobstolligen DocMarten´s hat: In den Rillen bleibts halt hängen.

Hier nun die letzten Handgriffe: Einen Spritzer WD40 auf das Handtuch und den Fleck weggerubbelt. Keine Sorge, wenn der Matt-Rahmen kurzzeitig ölig glitzert, der schöne Matt-Effekt kommt schnell wieder, spätestens, wenn das WD40 "verdampft" ist (oder was auch immer da passieren mag).

Wenn alles sauber ist: Bremsen einstellen nicht vergessen.Und wie schön ist es, wenn Ihr Euer wohlduftendes, glänzendes Rennrad, noch dazu sauber eingestellt und bereit zur nächsten abenteuerlichen Ausfahrt, glitzernd und schillernd wie am ersten Tag über Eure Betten, im Flur (wie bei mir) oder einfach nur an die Wand gelehnt bestaunt und, stolz wie Oskar, einfach nur ein Lächeln auf Euren Lippen habt? Für mich gibt es kaum etwas faszinierenders, als dieses mechanische (und mittlerweile auch elektronische) Wunderwerk Rennrad! Kunstwerk. Kunststück.Eine Zierde für jeden Wohnraum - und mithin ein Gewinn für jede Straße, auf der Ihr später mit Eurer Maschine wieder in die Kurbeln hauen werdet.




Ein sauberes Rennrad an der Wand: Was kann es schöneres geben?

Ich hoffe, ich konnte mit meiner Reinigungsstory vielleicht ein paar nützliche Tipps geben? Ansonsten wünsche ich Euch ebenso viel Spaß, wie ich ihn habe, nicht nur beim Fahren, sondern auch beim Putzen: Denn hier steigt zumindest bei mir die Vorfreude auf den nächsten Ritt ins Potenzierte.

Hier noch die Links zu den Produkten, die ich für die Reinigung meiner Cervelos benütze:

Das - übrigens in den 60er-Jahren für die amerikanischen Atlas-Atomraketen entwickelte - WD40 bestelle ich immer hier bei Conrad in den praktischen 500 ml-Dosen mit dem praktischen "Smart Straw" für 9 bis 12 €.

Unschlagbar, leider mit 19 € pro Flasche etwas teuer, aber aus meiner Sicht und von dem, was ich von den verehrten Rennrad-Kollegen höre, das beste Schmier- und Gleitmittel für Kette und die beweglichen Teile: DryFluid, könnt Ihr hier bestellen. Ihr unterstützt damit ein deutsches Start-Up, das vom Bike-verrückten, sympathischen Rolf Jacobs im brandenburgischen Teltow geleitet wird.

Mein Lederpflegemittel gibt es anscheinend nicht mehr auf dem Markt (die Dosen halten Jahre!), aber da könnt Ihr ganz normale Schuhpflegemittel benutzen. Achtung: Auch Lenkerband aus Leder könntet Ihr damit pflegen - allerdings sind diese dann vor allem bei Regen extrem rutschig und nicht mehr sehr grifffest. Sturzgefahr!


Wie reinigt Ihr Eure Rennräder und welche Tipps & Tricks habt Ihr noch so auf Lager? Ich freue mich wie immer über Eure Comments.






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