17. August 2011

Aero oder nicht aero - das ist hier die Frage,

Fast besessen bin ich. Schon 20 Websites gebookmarked: Mir geistert das S5 schon seit Wochen im Kopf herum.

Was war das für ein Sommer: Sehr eindrucksvoll, wie Cervélo auf das S-Works Venge, das Scott Foil und all die anderen Aero-Bikes der Saison reagiert. Das S5 hält nicht nur die Fachpresse in Atem: In den einschlägigen Foren übertrumpfen sich die Verfechter und die Gegner so leidenschaftlich in Lob oder Kritik wie bei keinem anderen Bike zuvor, habe ich das Gefühl.


Noch eindrucksvoller, wie Thor Hushovd nicht nur 2 schwere Etappen bei der Tour de France gewinnt, sondern auch, wie er 7 Tage lang im Maillot Jaune führt. Es war die spannendste Grand Boucle seit Jahren. Auch Dank des S5?

Ich will hier keine Zahlendreherei anfangen.

Ich will auch keine Luftwiderstands-Diskussion oder Gewichts-Debatte entfachen.

Aber mal so, Cervélo sagt: Das S5 spart dem Fahrer, wenn allein Wind, bei 25 km/h 8 Watt. Mmh. Nicht so prall. Bei 40 km/h wäre das schon 32 Watt. Bei 45 km/h sollen es 37 Watt sein. Und das "gegenüber typischen Straßenrahmen".

Also allein mit High Speed - auf langen Strecken - daher in eher flachem Terrain:
Das ist also der S5-Fahrer, der am meisten vom Rad profitieren soll. Okay, ich fahre eigentlich eher selten allein mit 40 km/h im Schnitt vor dem Peloton her (oder hinter ihm).

Radsporttrainer sagen, man soll im Training seine Stärken ausbauen. Sie fördern. Denn vieles im Radsport ist genetisch bedingt: Kurze, schnell zuckende Fasern, lange, langsam zuckende - Sprinter oder Bergfloh. Genetik. Klar, trainieren kann und soll man auch seine Schwächen. Aber man wird nie ein brillanter, endschneller Sprinter, wenn man nicht auch die Anlagen dazu hat.

Wo sehe ich eigentlich meine Stärken? Ich bin halbwegs gut, wenn es mal richtig schnell gehen muss. Fahre meist im Peloton, fahre zwar ab und zu Löcher zu, fahre auch ab und zu allein, aber meist eben in der Gruppe. Am Berg bin ich sehr stark:
Also eher der Bergfloh. Eher der Teamfahrer - also nicht der S5-Kunde, wie ihn Cervélo beschreibt? Legte ich beide Graphen über einander, ergibt sich wenig Überschneidung. Um ehrlich zu sein: Eher bin ich das genaue Gegenteil des S5-Fahrers, oder?

"Es ist das Bike das beste für dich, das sich am besten anfühlt.", habe ich mal irgendwo gelesen. Klar, Design treibt Menschen wir mich sehr an. Das S5 ist für mich eines der aufregendsten Designs der letzten Jahre. Das von mir mit der größten Spannung Erwartete.

Und doch zuckt es mir immer wieder durch den Kopf, wenn ich auf mein leichtes R3 starre: 1.200 Gramm S5 allein für den Rahmen (in der noch bezahlbahren Team-Version).

Da hat mein 2010er Renner glatte 400 Gramm weniger. Okay. Die spürt man nicht am Berg.

Aber man weiß um sie.

Ich sage es mal so: Ich glaube auch, dass die Watt-Einsparungen, Windtunnel-Tests und der ganze Zahlenkram rund um die Aero-Welle im echten Renn- oder Trainingsgeschehen kaum messbar sind. Und wenn überhaupt, dann nur bei den absoluten Cracks, die den Aero-Rahmen auch in echter, Zabriskie-Aeroposition fahren können.

Aber: Wenn sich jemand auf dem S5 schneller fühlt, denke ich schon, dass er ganz anders in eine RTF geht, sich der Startblock ganz anders anfühlt und ihn vielleicht schon allein dieses Gefühl von Überlegenheit zu höherer Leistung beflügeln könnte.

Ich frage heute Robert bei Pirate-Bikes - immerhin einer der beiden Cervélo-Fachhändler hier in Hamburg - was er vom S5 denn so halte. Er macht eine Schnute. "Ich bin es kurz gefahren.", sagt er. "Kann man kaufen.", nickt er dann. "Aber ob man damit nun wirklich schneller unterwegs ist ...?" Da schaut er mich an.

Hinter ihm steht ein Cervélo R5ca. Der leichteste, steifste Rennradrahmen der Welt. Sie viele tolle Räder, die Cervélo da im Angebot hat - die klassischen, schlanken Rahmen der R-Serie, die Carbon-Waffen der S-Serie. Wie soll man da eine Entscheidung treffen (wenn man sie treffen müsste)?

Nun, man könnte ja so argumentieren: Ich nehme das R, weil ich stark in den Bergen bin und dort meine Vorteile mit dem best möglichen Material ausspielen will. Ich brauche es leicht. Und steif.


Oder man argumentiert so: Ich nehme das S, weil ich gerade auf langen, flachen Alleinfahrten auf jedes Watt angewiesen bin (beim Hinterherfahren) und deshalb das best mögliche Material will. Am Berg bin ich eh stark - alles, was mich in der Ebene nur einen Tick schneller machen kann, soll mir recht sein.

Oh man, mir raucht der Kopf ...

Ah, hier noch zum Schluss die Preisfrage: Wie viele der Top 20-Finisher der Tour de France 2011 sind das Aero-Rad ihrer Teilesponsoren gefahren?

Keiner.